Die digitale Transformation in der Anarbeitung verwirklichen.

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Seit Beginn der Pandemie haben sich die Rahmenbedingungen im Stahlmarkt mit hoher Geschwindigkeit gewandelt. Dadurch wurde unter anderem die Digitalisierung im Stahlhandel beschleunigt. Die derzeitige sprunghaft ansteigende Nachfrage nach Stahl und Anarbeitung verlangt nun ein verändertes Denken und ganz neue Lösungsansätze. Ein Interview mit Valentin Kaltenbach, erschienen im Fachmagazin “Stahl + Technik” (3/2021).

Die klassischen Strategien, mit denen bisher die in einem Unternehmen vorhandenen Ressourcen an Maschinen und Mitarbeitern einer steigenden Nachfrage angepasst wurden, setzen voraus, dass diese auch in ausreichender Menge zur Verfügung stehen und kurzfristig aktiviert werden können. In der aktuellenSituation und angesichts des demographischen Wandels der Gesellschaft gibt der Markt diese Kapazitäten jedoch nicht her. Mittelfristig müssen sich Unternehmer zudem die Frage stellen, ob es noch Alternativen gibt, um dem Auf und Ab im Markt souverän zu begegnen. Denn sowohl Überlastung als auch Unterauslastung kosten viel Geld und Nerven. Über digitale Lösungen, mit denen sich schon heute bessere finden Wege lassen, um die steigende Nachfrage zeitnah zu bedienen, sprach STAHL + TECHNIK mit Valentin Kaltenbach, CEO der KALTENBACH.SOLUTIONS GmbH.

Innerhalb nur weniger Monate ist die Stahlbranche vom Tal der Tränen auf den Berg der Freude gelangt. Herr Kaltenbach, welche Auswirkungen hat das auf die Anarbeitung im Stahlhandel?

Im Stahlhandel mussten Kapazitäten in kürzester Zeit von Kurzarbeit auf Mehrarbeit umgeschaltet werden. Das waren und sind wirklich herausfordernde Aufgaben für das Management, den Betriebsrat und auch für die Mitarbeiter, die allen viel Fingerspitzengefühl abverlangen. Mir ist es wichtig, trotz des Zeitdrucks zu würdigen, was hier Beachtliches geleistet wurde. Neben der gestiegenen Anarbeitung musste man auch verstärkte Wareneingänge und Einlagerungen bewerkstelligen. Es galt, die reduzierten Lager wieder zu füllen, um den Kundenwünschen entsprechen zu können. Betrachten wir die Anarbeitung als einen Teil der intralogistischen Kette, wird deutlich, wie stark die Komplexität der Aufgaben insgesamt zugenommen hat.

Sind die Kapazitäten hier in ausreichendem Umfang vorhanden, um den jetzigen Auftragsboom abzuarbeiten?

Mit den boosterBOXen messen wir inzwischen an über 50 Standorten des lagerhaltenden Stahlhandels die Maschinen-Performance. Von wenigen Ausnahmen abgesehen liegt die produktive Auslastung unserer Erfahrung nach in einem Bereich zwischen 20 % und 60 %. Seit es die Möglichkeit gibt, die Produktivität mit unseren boosterBOXen zu messen, kann man diese erstmals auch gesteuert verändern. Wir beobachten nun, dass sich der Markt hinsichtlich der Performance immer differenzierter aufstellt. Die Engpässe in der Anarbeitung sind in den meisten Fällen nicht auf die Maschinenkapazität zurückzuführen, sondern haben ihre Ursache in den Strukturen und Prozessen der intralogistischen Ketten. Von der Materialbereitstellung bis hin zum Verpacken und Verladen und der Auftragsbearbeitung – die Performance an den Maschinen ist das Ergebnis der Effizienz all dieser Abläufe. Bei einer stark schwankenden Auslastung kommt es genau hier zu Engpässen und nicht an den Maschinen selbst. 

Was verstehen Sie unter einer differenzierteren Aufstellung?

Im Kern geht es immer darum, wofür ein Unternehmen die vorhandenen Ressourcen einsetzt und wie effizient der Einsatz an Ressourcen gestaltet wird. Die Leistung einer Maschine muss differenziert betrachtet werden. Vereinfacht gesagt: Handelt es sich um eine Führungsmaschine oder eher um eine Ergänzungsmaschine? Wir richten den Fokus immer auf die Führungsmaschinen. Dort müssen die vorhandenenRessourcen priorisiert eingesetzt werden, um eine maximale Performance zu erreichen. Mögliche Störungen in den Betriebsabläufen müssen hier schrittweise erkannt und beseitigt werden. Bei Ergänzungsmaschinen spielt die Performance eine untergeordnete Rolle. Sie müssen verfügbar sein, falls sie gebraucht werden. Das kann in der Konsequenz auch bedeuten, Maschinen abzubauen, um die Personalkapazität auf die verbleibenden Maschinen zu konzentrieren. Hier gilt dann: Weniger Maschine bringt mehr Output! Ich sehe die Herausforderungen weniger in der technischen Umsetzung, sondern vielmehr in der verbreiteten Annahme, dass mehr Maschine mehr Output bedeutet. 

Wann ist der richtige Zeitpunkt für Performance-Management?

Dass geduldiges Abwarten eine Ausgangslage verbessern könnte, ist ein häufig anzutreffendes Missverständnis. Meiner Meinung nach ist genau das Gegenteil richtig: Jetzt ist der perfekte Zeitpunktzum Handeln! Die Kunst besteht darin, das Performance-Management so zu gestalten, dass es parallel zum laufenden Betrieb und zu anderen Projekten bewältigt wird. Durch das Ausführen kleiner logischer Schritte kann man erreichen, dass das betriebene Performance-Management zu einem wesentlichen Bestandteil des täglichen Arbeitens und Veränderns wird.

Wo setzen Sie an, um eine erfolgreiche digitale Transformation in der Anarbeitung zu erreichen?

Bei der Anarbeitung gibt es drei große Stellschrauben, an denen wir drehen können. Da wäre zunächst das KI/IoT-basierte Performance-Management zur Steigerung des Outputs an den Maschinen. Dazu kommt das IoT-basierte Energy-Monitoring für einen Ressourcen-effizienten Einsatz aus energetischer Sicht. Und drittens das Maschinen-Monitoring, das es möglich macht, die Verfügbarkeit der Maschinen auf ein hohes Niveau zu bringen und dort stabil zu halten. Ungeplante Stillstände und Störungen sollten unbedingt vermieden werden, denn diese sind die gefährlichsten Performance-Killer im Arbeitsalltag. Ich empfehle, genau an den Stellen anzusetzen, an denen die größten Effekte zu erwarten sind. Unsere Branchenlösung steelsuite umfasst alle drei Teilbereiche und ermöglicht damit einen stetigen und steigerungsfähigen Einstieg in die Digitalisierung.

Welche Rolle spielt der Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei der Umsetzung?

Performance-Management bedeutet: Die Performance messen, Handlungsoptionen modulieren, entscheiden, planen und umsetzen. Mit der Künstlichen Intelligenz lassen sich schneller bessere Entscheidungen treffen. Durch den Einsatz von KI leisten wir einen Beitrag für mehr Wirtschaftlichkeit, Effizienz und CO2 -Neutralität im Stahlhandel. In Anerkennung der Bedeutung des Themas fördert dasMinisterium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau in Baden-Württemberg daher eines unserer aktuellen Kunden-Projekte im Bereich der KI und des IoT mit einem hohen sechsstelligen Betrag. Interessierten Unternehmen der Branchen Stahlhandel, Stahlbau und Maschinenbau bieten wir dieses Jahr die Möglichkeit, als Anwendungspartner für dieses geförderte Projekt erste praktische Erfahrungen mit den zukunftsweisenden Technologien zu machen. Sie können so neue Erkenntnisse auf der Basis von im Betrieb gemessenen Daten gewinnen und daraus konkrete Handlungsempfehlungen entwickeln. 

Eine letzte Frage: Wo sehen Sie den Stahlhandel in 5 bis 10 Jahren?

Angesichts der hohen gegenwärtigen Veränderungsgeschwindigkeit sind 5 bis 10 Jahre eine lange Zeit. Bis dahin wird die Digitalisierung im Stahlhandel eine Kernkompetenz sein. Ich behaupte sogar, dass es überwiegend analog arbeitende Unternehmen, abgesehen von wenigen Nischen, dann nicht mehr geben wird. Die Bereiche Intralogistik, Anarbeitung und Extralogistik sind integriert zu betrachten. Hier ist der Einsatz von KI von großem Nutzen. Die Digitalisierung gibt dem Stahlhandel einen kräftigen Effizienzschub, der die Wettbewerbsfähigkeit des Werkstoffes Stahl in der Breite steigert. Diese Entwicklung hilft dem Stahl, die Aufmerksamkeit zu bekommen, die er aufgrund seiner Zukunftsfähigkeit zweifellos verdient.

Vielen Dank für das Gespräch.