Die Abnehmer im Fokus - Stahlhändler Thomann startet Digitalisierungsprojekt

Das Digitalisierungs-Team bei der Thomann GmbH: Daniel Baiz, Rolf Thomann, Valentin Kaltenbach, Halim Rrahimi

Das mittelständische, inhabergeführte Familienunternehmen Thomann mit Sitz in Lindau am Bodensee ist ein anerkannter Experte für Stahl und weitere Produkte und Dienstleistungen für Industrie und Handwerk. Mit einer breiten Palette von über 50 Werkstoffgütern in mehr als 2.500 Abmessungen kann das Unternehmen seinen Kunden schnelle Verfügbarkeit und hohe Flexibilität bieten, um deren Zeit- und Kostendruck gerecht zu werden. Thomann strebt auch in den Bereichen Qualität, Nachhaltigkeit, Klimaschutz und menschengerechtes Arbeiten danach, Maßstäbe zu setzen. Im vergangenen Sommer startete das Unternehmen ein innovatives Digitalisierungsprojekt am Standort Hergatz, um die Auftragsbearbeitung im Geschäftsbereich Stahl weiter zu optimieren. Dabei wurde das Team bei Thomann von dem Smart-Factory-Spezialisten Kaltenbach.Solutions aus Freiburg unterstützt. In einem exklusiven Interview mit dem BDS-Stahlreport sprechen Unternehmensinhaber Rolf Thomann, Betriebsleiter Stahl Daniel Baiz und der Leiter Ein- und Verkauf Halim Rrahimi über konkrete Schritte auf dem Weg zur Digitalisierung im Shopfloor und ihre Vision für die Zukunft.

Die Thomann GmbH ist bekannt als führender Betriebsausrüster und Stahlversorger für Industrie und Handwerk in der Region Bodensse/Alllgäu/Vorarlberg. Wo liegen Ihre Stärken aus Sicht der Abnehmer? Wie würden Sie Ihren strategischen Erfolgsfaktor beschreiben?

Herr Thomann: Thomann steht für zwei Warenbereiche: Auf der einen Seite bieten wir vielfältigen Handwerkerbedarf wie Werkzeuge, Schrauben, DIN- und Normteile und Arbeitsschutz; auf der anderen Seite haben wir ein großes Sortiment an Stahl vorrätig. Handwerks- und Industriebetriebe aus einem Umkreis von bis zu 120 Kilometern erhalten so aus einer Hand alles, was sie für ihre tägliche Arbeit in der Werkstatt oder im Betrieb benötigen. Zudem verfügen wir über eigene Außendienstmitarbeiter. Unser Fokus gilt dem enfachen und zuverlässigen Beschaffungsprozess unserer Kunden. Der Kunde hat einen einfachen Bestellvorgang und Wareneingang sowie eine unkomplizierte Rechnungskontrolle und kann direkt losarbeiten. Ich bekomme die Rückmeldung, dass der intelligente und zum Teil digitale Beschaffunsprozess kombiniert mit hoher Versorgungssicherheit und einem extrem flexiblen Service als unsere Stärken geschätzt werden. Kurz gesagt besteht unsere Erfolgsstrategie darin, bei allem, was wir tun, die „Kundenbrille“ aufzusetzen, um zu verstehen, wie wir den Abnehmern das Leben erleichtern können. Dafür übernehmen wir gerne fortschrittliche Ideen aus anderen Handelsbereichen.

Herr Baiz: Als ein Beispiel für den effizienten und flexiblen Kundenservice kann ich unser Angebot an vorverpackten Sets nennen, die direkt nutzbare Stahl-Produkte von hoher Qualität und Genauigkeit enthalten. Der Kunde hat einen Mehrwert, da er alle benötigten Teile auf einer Palette erhält und nicht selbst zusammenstellen muss. Wir stimmen den notwendigen Platz und die Lieferzeit mit ihm ab, sind behilflich beim Ausstellen der Fertigungspapiere und befüllen teilweise sogar die Zielorte selbstständig nach.

Mit 14 Sägemaschinen allein am Standort Hergatz sind Sie im Bereich der Anarbeitung besonders gut ausgestattet. Welche weiteren Bearbeitungs-Verfahren von Stahl bieten Sie an?

Herr Baiz: Neben der Anarbeitung des klassischen Sägens sind das Stapeln, die Zerspanung und das präzise Waschen weitere Bearbeitungsverfahren, die wir übernehmen. Auch das Verpacken in die richtige Folie und das Etikettieren mit Barcode gehört dazu – das ist manchmal eine echte Herausforderung. Alle diese verschiedenen Schritte der Vorbearbeitung sind wichtig, um den Durchsatz beim Kunden zu erhöhen und ihn zufrieden zu machen. Möchte er beispielsweise ein Hydraulikrohr direkt montieren, könnten zu große Partikel aufgrund von unsachgemäßem Waschen zu Qualitätsproblemen führen.

Spielen die Themen Energie und Nachhaltigkeit für Ihre Kunden heute schon eine Rolle? Was unternehmen Sie, um auch hier zukunftsfähig zu bleiben?

Herr Thomann: Gerade für die großen Industrieunternehmen, die zu unseren Kunden gehören, ist der verantwortliche Umgang mit Energie und mit der Umwelt sehr wichtig. Wir selbst sind neben dem Qualitätsmanagement nach DIN ISO 9001:2015 auch in den Bereichen Umweltmanagement (DIN ISO 14001:20159), Management von Sicherheit und Gesundheit ( DIN ISO 45001: 2018) und Energiemanagment (DIN ISO 50001:2018) zertifiziert. Unser Management arbeitet konsequent an diesen relevanten Themen und kommuniziert das auch gegenüber den Kunden.

Die Digitalisierung ist ein ambitioniertes Ziel und eine große Herausforderung für den Bereich Operations im Stahlhandel. Wie hat sich Ihre Arbeit dadurch verändert?

Herr Rrahimi: Wir arbeiten seit circa 2 Jahren mit EDI-Schnittstellen zum Kunden. Die Daten werden vom ERP-System des Kunden in unser System übertragen und landen auch direkt an den Sägebildschirmen im Betrieb. Nach einer kurzen Sichtkontrolle von einem Mitarbeiter in der Auftragserfassung wird der Auftrag freigegeben. Durch die Schnittstelle hat sich die Arbeitszeit in der Auftragserfassung von 4-5 Stunden am Tag auf etwa 1 Stunde am Tag reduziert. Das gibt uns die Chance, die Ressourcen im Vertrieb anderweitig zu nutzen. Vom aktuellen Projekt erwarte ich aus Vertriebssicht weitere Vorteile wie schnellere Lieferzeiten und damit eine Stärkung unserer Position am Markt.

Herr Baiz: Wir können heute schon digital und ganz ohne Papier fertigen. Informationen kommen ohne Verlust direkt dort an, wo sie benötigt werden, Prioritäten sind für alle klar ersichtlich und weniger Hände sind involviert. Unsere Belader und Fahrer melden bereits digital den Stand der Verladung und Lieferung zurück. So können wir schnell recherchieren und Antworten auf Nachfragen geben. Auch späte Änderungswünsche durch den Kunden, z.B. bezüglich des Auslieferungsdatums, verursachen keinen Stress mehr. Die Sicherheit, dass alle wichtigen Informationen digital jederzeit zugänglich und up-to-date sind, erleichtert die Arbeit im Hier und Jetzt.

Welchen Stellenwert haben digitale Tools in Ihrem Privatleben?

Herr Rrahimi: Tatsächlich haben Tracking-Apps bei mir im Privatleben auch einen hohen Stellenwert. Ich tracke beispielsweise die Kalorien und die Zeiten beim Joggen oder auch im Fitnessstudio und versuche, mich ständig zu verbessern. Bei Thomann wird Sport generell ziemlich groß geschrieben. Im letzten Jahr haben wir unseren Mitarbeitern eine Leistungsdiagnostik angeboten, die sehr gut angenommen wurde. Etwa 80 Personen inklusive Familienangehörige waren aktiv dabei, um ihre Fitness zu verbessern. Die Herausforderung, sich stetig zu optimieren und das Maximum aus sich selbst herauszuholen, spiegelt auch das Digitalisierungsprojekt mit Kaltenbach.Solutions bei Thomann ganz gut wider.

Jetzt planen Sie konkrete Schritte für die Umsetzung der digitalen Transformation in Ihren Werkhallen. Können Sie uns das aktuelle Projekt im Bereich Stahl kurz beschreiben?

Herr Baiz: Aktuell haben wir alle Sägemaschinen angebunden, um Maschinen- und Betriebsdaten digital zu erfassen. Das wird uns dabei helfen, weitere Optimierungspotentiale zu erkennen. Für den Stahlhandel wertschöpfend ist der reine Sägeschnitt, dafür bezahlen die Kunden. Im Umfeld der Sägen gibt es aber viele weitere Handgriffe, für die wir nicht bezahlt werden, z.B. die passende Paletten suchen und richten. Wir wollen alle diese Inhalte identifizieren und reduzieren – also das Material so wenig wie möglich anfassen und den bezahlten Durchsatz erhöhen. Das Projekt mit Kaltenbach.Solutions ist nun in der zweiten Phase und ich erwarte eine deutlich verbesserte Kommunikation durch die objektive Datenbasis. Dann können wir gemeinsam eindeutige Hemmnisse identifizieren, beseitigen und Engpässe auflösen.

Herr Thomann: Neue Erkenntnisse und Anstöße sind für uns sehr wichtig, denn wir suchen immer nach Verbesserungsmöglichkeiten. Gerade bei Säge-Aufträgen gibt es noch ungehobene Potentiale. Wenn wir diese ausschöpfen, steigt der Rohertrag im Verhältnis zu den Personalkosten. Auch die Kommunikation in Richtung Vertrieb soll durch das Digitalisieurungsprojekt transparenter werden. Vor allem die Liefertermintreue hat für uns oberste Priorität! Zusätzlich erwarten wir, dass Investitionen in die Zukunft auf Basis objektiver Daten noch sinnvoller geplant werden können.

Wie haben Sie den passenden Partner für die Digitalisierung Ihrer Anarbeitung gefunden? Gab es Kriterien, die Ihnen bei der Auswahl besonders wichtig waren?

Herr Baiz: Zunächst haben wir uns einige Firmen angeschaut und Angebote eingeholt. Starten wollten wir mit einer kleinen Lösung. An Kaltenbach.Solutions gefällt uns, dass wir hier einen kompetenten Ansprechpartner haben, der weiss, was passt und wichtig ist. Herr Kaltenbach kann gut erklären, das war toll für die Einführung. Die Plattform BoosterSUITE ist transparent und intuitiv. Die Maschinendatenerfassung ist hochwertig und universell einsetzbar, die Analytik logisch und übersichtlich. Kaltenbach.Solutions kennt die Stahlwelt und ist ein echter Partner auf Augenhöhe.

Ein Ausblick auf die nahe Zukunft wäre für unsere LeserInnen sicher interessant. Wird Thomann weiter expandieren oder gibt es andere Pläne, die heute schon spruchreif sind?

Thomann: Neben einer Erweiterung der Betriebsfläche in Hergatz ist die Digitalisierung unser Kernthema, denn dort liegt ganz klar unsere Zukunft. Dafür haben wir bereits Fördergelder genehmigt bekommen und arbeiten jetzt gemeinsam mit dem Hightech-Netzwerk der bwcon an der passenden Strategie. Getreu unserem Motto „Wo wir sind ist vorne“ streben wir danach, die Transformation kontinuierlich fortzusetzen. Wir wollen die echten Game Changer nicht verpassen und neue Horizonte  erschließen. Um ein Bild zu benutzen, das viele kennen: Wie kommen wir von der Schallplatte über die CD möglichst direkt zu Spotify? Es gilt, das eigene Geschäftsmodell immer wieder kritisch zu überpüfen. Dafür ist es wichtig, in Know-How zu investieren, weniger in neue Geräte. Denn auf dem Weg in die Zukunft wollen wir unsere Mitarbeiter mitnehmen, verstärkt selbst ausbilden und ganz neue Stellen schaffen, beispielsweise für Prozess- und Daten-Manager. Unsere Vision ist es, den Kunden Anarbeitung bzw. „Sägen as a Service“ komplett digital vernetzt anzubieten. Daran arbeiten wir mit Hochdruck.

Im Bild von links nach rechts zu sehen: Herr Thomann, Herr Baiz, Herr Kaltenbach und Herr Rahimi bei Thomann in Hergatz

Das ganze Interview ist in Heft 3/24 des Fachmagazins “Stahlreport” erschienen.